Meditieren-mit-Bernie

 

"Je mehr Worte und Gedanken, desto weiter entfernt von der Wirklichkeit"

(aus Shinjin-Mei/Klassicher Zentext)

Sonnenhof Schwarzwald - Sesshin Dezember 2004

Es waren sonnige, milde Wintertage ohne Schnee. Als wir uns wieder einmal zum Mittagessen versammelt hatten, hörte ich unter den zahlreichen Geräuschen auf einmal einen Ton als jemand wohl mit einem Messer oder einem anderen Besteckteil an seinen Teller stieß: „Bing“. Ein ganz gewöhnlicher Ton: „Bing“ wie er beim Essen immer wieder zu hören ist. Dieses Bing aber war völlig leer. Es gab kein vorher, kein nachher, keine Frage warum dieser Ton erklungen war, keine Vorstellung von Messer und Teller, die diesen Ton erzeugt hatten. Da war nur das „Bing“ in vollkommenster Reinheit, genau in dem Moment als es erklang. Dieser Moment war vollkommen zeitlos. In diesem Bing war das ganze Universum enthalten. Aber zugleich war es einzig und allein dieses Bing.

Berlin-Kreuzberg 1978

Das Leben in dieser Stadt hatte ein unglaubliches Tempo. Ein Mikrokosmos mit einem unüberschaubaren Angebot an Initiativen und Möglichkeiten. Dauernd lernte ich neue Menschen kennen und verlor sie auch schnell wieder aus den Augen. Ich war wegen meines Studiums nach Berlin gezogen. Ich lebte intensiv und war doch stets auf der Suche.

Eines Tages fiel mir beim Stöbern im Buchladen ein kleines Büchlein von einem japanischen Autor in die Hand: "ZaZen - Die Praxis des Zen". Mich faszinierte die Schlichtheit der Übung, die hier beschrieben wurde. Es ging nicht darum, komplizierte Abläufe zu trainieren oder Theorien zu studieren. Sich in aufrechter, stabiler Körperhaltung auf ein Kissen setzen und in den eigenen Atem hineinspüren - das war die Übung. Ich probierte es ein paarmal aus. Dieses Meditieren bremste das hohe Tempo, mit dem ich meinen Alltag durchraste auf irgend eine Weise ab, was mir sehr gut tat.

Ich wohnte in Berlin-Kreuzberg. In der Nähe gab es eine Aikidosdchule, bei der ich einmal zum Probetraining gewesen war. Ich hatte gelesen, dass sich hier jeden Sonntagvormittag eine Gruppe zur Zenmeditation treffen würde. So machte ich mich eines Sonntags auf den Weg. Ich platzte mitten in die Meditationsübung hinein. Ich war zu spät gekommen. Es war peinlich und zugleich wirkte die Atmosphäre befremdlich. Etwa ein Dutzend Menschen, in schwarze Gewänder gehüllt, saßen schweigend mit dem Gesicht zur Wand auf ihren Kissen. Ich wollte mich gleich wieder davonschleichen, doch da erhob sich eine Frau von ihrem Platz und kam zu mir. Ich flüsterte ihr zu, dass ich gerne einmal Zenmeditation ausprobieren möchte, woraufhin sie mir ein freies Kissen zuwies und mir zu verstehen gab, ich solle mich so verhalten wie alle anderen. Da saß ich nun mit gemischten Gefühlen. Zwischen den schwarzen Menschen um mich herum, fühlte ich mich ziemlich fehl am Platz. Doch zugleich faszinierte mich diese Atmosphäre der Stille, sprach irgend etwas an in meinem Inneren. Nach einer Weile ertönte eine Klangschale und die anderen begannen gemeinsam einen gebetsähnlichen Text zu sprechen, den ich nicht verstand. Beim Gehen bedankte ich mich und legte etwas Geld in die Spendenschale. Ich ging nie wieder zu dieser Gruppe. Doch der Besuch dort hatte Spuren bei mir hinterlassen und ich begann regelmäßig für mich alleine zu sitzen, ZaZen zu praktizieren.

Es geschah eigentlich nichts Spektakuläres wenn ich meditierte. Bisweilen tauchten intensive Emotionen oder Erinnerungen auf. Ich blieb dann weiter sitzen, spürte in meinen Atem hinein und mit der Zeit verloren diese Dinge immer mehr von ihrer Intensität. Nach dem Sitzen war ich meistens besser drauf. Ich fühlte mich entspannter und manches im Alltag ging leichter von der Hand.

Würzburg - Haus St.Benedikt Oktober 1992

 (Fortsetzung folgt)